Halloween: Schöner Schauer oder plumper Horror?
Mit moderner KI-Software einem Gefühl für die Jahreszeit Ausdruck geben.
Stable Diffusion ermöglicht es, durch die Wahl der richtigen Worte, Bilder aus dem scheinbaren Chaos zu zaubern. Ähnliches wollte ich mit einem Bild erreichen, welches nicht das allgemeine Halloween-Klischee bedient, sondern eher ein kleiner Schritt zurück in die Vergangenheit ist. Viele unsere allgegenwärtigen Bilder finden ihre Wurzeln in der Romantik. Wenn Literatur – also Worte – Bilder in unseren Köpfen schafft, ist dies nichts Ungewöhnliches. Die moderne Technik ermöglicht es uns, diese Bilder direkt am Computer umzusetzen.
Oktoberausklang und Novemberbeginn in der Natur zeigen die letzten Zuckungen des Herbstes, bevor mit aller Heftigkeit die trübe Jahreszeit beginnt. Die Tage werden bis zur Wintersonnenwende immer kürzer. Scheinbar bietet sie für viele keinen anheimelnden Reiz. Dazu gibt es traditionelle Feiertage und das, was wir inzwischen daraus gemacht haben. Es gibt Zeiten im Jahr, da dreht nicht nur die Industrie am Rad. Einem Tsunami gleich bricht das jeweils aktuelle mediale Ereignis über uns hinein. Weihnachten, Ostern oder auch Halloween und alles drumherum sind inzwischen stromlinienförmige Industrieprodukte, die in allen Kulturen der Welt gleich funktionieren sollen. Müssen wir alle dieses Spiel mitspielen? Retortenhafte Ausführungen in der Werbung scheinen nur einige wenige Variationsmöglichkeiten zum Thema zu erlauben. Die einen überbieten sich in blutigem Horror und nacktem Entsetzen, die anderen in fantasieloser Gleichmacherei. Schaut man sich die entsprechenden Kostüme an, dann bleibt eigentlich nur trauriges Kopfschütteln über den uniformierten „Spaß“, der nur noch ab fünf Promille zu genießen ist. Feine Zwischentöne scheinen da schnell unter die Räder zu kommen.
Die neblige Jahreszeit ist gerade optisch eine Zeit besonders vieler Zwischentöne. Nur spielen hier deutlich weniger bunte Farben die Rolle. Variationen in Grau und ein Hauch von Farbigkeit können trotzdem einen unglaublichen Reiz bewirken. Stellen wir uns doch einfach einen Spaziergang durch eine Nebel getränkte Landschaft vor. Keine schrillen Farben lenken ab. Selten sind es laute Geräusche, die dann zu hören sind. Über allem liegt ein sanfter, friedvoller Schleier.
Stellen wir uns doch einfach einen Spaziergang an einem nebligen Gewässer vor. Das kann jeder kleine Wasserlauf, jeder Teich, See oder gar ein naturnahes Moor sein. Wir sind alleine unterwegs. Alles ist ruhig. Sanfter Nebel steigt empor. Lassen wir bei diesem Gang unserer Fantasie freien Lauf. So wie wir im Sommer in den Wolken Dinge erkennen, ist dies auch in den nebligen Strukturen des Herbstes möglich. Auch akustisch scheint uns unsere Fantasie zu Höhenflügen zu treiben. Das kennen wir noch aus Kindertagen, als wir zu Hause unter dem Bett kleinere oder größere Wesen vermuteten und jegliches Geräusch im Dunkel ganz anders interpretierten, als wir dies tagsüber taten.
Der Schauerroman oder die „Gothic Novel“ sind Paradebeispiele des schönen sanften Schauers, des angenehmen Gruselns, sei es auf dem gemütlichen Sessel vor dem Kamin, bei Kerzenschein – oder eben draußen beim Spaziergang in der freien Natur. Die Phantastik war ein anerkanntes Genre, lange bevor Fantasie das Licht der Welt erblickte. Das scheinbar nicht Erklärbare steht im Mittelpunkt der Erzählung. Heute, in einer Zeit der Informationsüberflutung, erleben wir es immer wieder, dass Menschen sich, wegen der eindeutigen Fakten, von der Realität abwenden. Das hatten wir schon einmal, nämlich nach dem sog. Zeitalter der Aufklärung: „Der Begriff Aufklärung bezeichnet die um das Jahr 1700 einsetzende Entwicklung, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Es galt, Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen – etwa für jenes, das im Zuge der naturwissenschaftlichen Revolution im 16. und 17. Jahrhundert gewonnen worden war. (Quelle: Wikipedia)„. Zu fast jeder Bewegung folgt fast immer eine Gegenbewegung, in der Rationalität, Vernunft und Wissenschaft nicht gefragt sind. Das geschieht nicht nur aktuell so, sondern war, stark vereinfacht, auch in der auf die „Aufklärung“ folgende „Romantik“ der Fall. Man entdeckte begeistert das Übernatürliche und die emotionale Dramatik in Literatur und Malerei, welche sich in einer ganz speziellen Ästhetik niederschlugen: Eine Vorliebe für das Düstere, Beklemmende. Furchteinflößende Gedanken und Bilder rückten in den Mittelpunkt.
Nichts anderes war der Ansatz, einen Spaziergang in der nahen Natur als Aufhänger zu nutzen. Ich wollte keine Skelette oder andere Monster auftauchen lassen.
Unterwegs an der Spandauer Kuhlake (ein kleines Gewässer im Spandauer Stadtforst)
Manch seltsame Gestalt schreitet im herbstlichen Nebel durch den Spandauer Wald. Sind es nur Ausgeburten unserer Fantasy? Sollen wir den lockenden Stimmen folgen? Das mag jede(r) für sich alleine entscheiden. Die Welt bietet unzählige Wunder – wenn wir uns nur auf sie einlassen. Es war verwirrend, mit der jungen Dame zu plaudern. Sie wirkte so ätherisch, kühl. Ihre nahende Schwester hatte anderes im Sinn, doch traute ich mich nicht, die angebotene Hand zu ergreifen. Nur ein Schritt wäre nötig, sagte sie mit leiser Stimme … Beide gestatteten mir leider nur ein einziges Foto, zur Erinnerung an diese nächtliche Begegnung. Dann entschwanden sie meinen Blicken… 😉
Dazu dann noch ein passendes Gedicht von Herrmann Hesse:
Der Nebel
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsam sein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
Seelen sind nicht nur an Halloween „unterwegs“
Die gesamte erste Novemberwoche, genauer sogar die Zeit vom 30. Oktober bis zum 8. November gilt als „Seelenwoche“. Nicht nur an Halloween sollten also die Seelen anwesend sein. Die evangelische Kirche lehnte anfangs das Totengedenken der katholischen Kirche ab, während die orthodoxe Kirche sich den Zusammenhang mit dem Pfingstfest bewahrte. In der protestantischen Kirche berief man sich auf das Matthäusevangelium: 8, 22, lass die Toten ihre Toten begraben. Da das Gedenken an die Toten ein tief verwurzelter Brauch war, bekamen auch die Protestanten ihren Totengedenktag – den Totensonntag. Offiziell wurde dies erst 1816, als König Friedrich Wilhelm III. von Preußen erst einen Gedenktag der Freiheitskriege gegen Napoleon festlegte, der dann aber schnell zum allgemeinen Feiertag zur Erinnerung an alle Verstorbenen wurde.
Allerseelen bietet für einen gläubigen Katholiken einen beträchtlichen Vorteil. Wer in frommer Gesinnung einen Friedhof besucht oder der Toten im Gebet gedenkt, der kann mit einem Ablass für die „läuterungsbedürftigen Seelen“ rechnen. Um es etwas komplizierter zu gestalten, gibt es in der Zeit vom 1. bis 8. November einen vollkommenen Ablass für den Besuch einer Kirche und an allen anderen Tagen im Jahr nur einen Teilablass …